Bunt ist es und laut. Voller Leben. Die Badi. Es quietschen kleine Kinder (die Grossen auch), wenn sie die Wasserrutsche runtersausen. Es wird getaucht, gespielt und geschwommen. Ich gehe am Kinderbecken vorbei, wo Babys strahlen, sobald ihr grosser Zeh ins Wasser getaucht wird, weiter zum Bereich, wo man seine Längen schwimmen kann. Ich schwimme ein paar von diesen und kühle mich mit Wonne ab. Im Wasser kann ich mich auftanken, die Seele baumeln lassen und den Körper, ohne mich allzu sehr anstrengen zu müssen, betätigen. Ich liebe es, ins kühle Nass zu gleiten und mich meinen Gedanken hinzugeben. Danach lege ich mich neben dem blauen Becken hin und schliesse die Augen. Ich lasse den Tag Revue passieren, denke an die Begegnungen mit meinen Kundinnen und was heute alles los war. Danach setze ich mich auf und lasse meine Augen über die Anlage schweifen. Um diese Uhrzeit gehen schon ein paar von den Nami-Bädler:Innen nach Hause und das Areal fängt an, sich zu leeren. Doch immer noch gibt es so viel zu entdecken: Kleine und grosse Menschen, schlankere und festere Frauen und Männer, Jung und Alt. Dabei bemerke ich, wie meine Gedanken gleich ins Bewerten kommen und sich selbständig machen: Oh, die hat aber ein schönes Bikini, doch sie ist fast ein wenig zu blass dafür. Der Mann dort drüben, der hat aber auch ein ziemliches Wohlstandsbäuchlein. Die Teenager von heute, was die sich getrauen… Ich hätte mich so nie aufführen dürfen! Und sollte die Mutter dort beim Sprungturm ihre Kinder nicht besser im Griff haben? Ach, der Herr Bademeister, der hat aber auch schon motivierter ausgesehen. Schau, der dort drüben! He! Mann soll im Brustschwimmbecken nicht kraulen! Ach, so rücksichtslos, sind manche Menschen.
Stopp! Was meine Gedanken wieder so alles von allein denken, unglaublich! Machen wir doch gleich ein kleines Experiment und kehren dies jetzt mal um. Einfach so. Also los: Oh, die hat aber ein schönes Bikini, perfekt für ihre trainierte Figur. Und der Mann dort drüben, der ist sicher einer, der weiss, wie man das Leben geniesst. Die Teenager von heute, die haben Mut und Selbstvertrauen… Ich bewundere die Mutter dort drüben: Drei Kinder in unterschiedlichem Alter und jedes will sein Ding machen. So viel Lebendigkeit! Und doch nimmt sie sich Zeit und den Aufwand auf sich, dieser Rasselbande einen so wundervollen Nachmittag zu schenken. Der Bademeister hatte bestimmt viel zu tun: So viele Menschen waren heute bei diesem Sommerwetter in der Badi! Ah, der Mann dort drüben im Becken hat wahrscheinlich das Schild nicht gelesen, doch es hat ja kaum mehr Schwimmer im Becken, dann ist das nicht so tragisch.
Ich ertappe mich stets wieder beim Werten und Polizistin spielen. Zwar meist nur in meinem Kopf und doch erschreckt es mich, wenn ich es bemerke. Naja, es zu bemerken ist ja doch schon ein guter Schritt. Wie wäre es denn, wenn wir jeden Gedanken, der einfach so auftaucht, in etwas Schönes umformulieren würden? Versuchen wir doch einmal, wie es wäre, lauter Komplimente im Kopf (oder gerne auch laut) zu formulieren. Wie wäre es, wenn unsere Gedanken mit mehr Toleranz statt Kritik und mehr Liebe und Wohlwollen statt mit Neid und Frust bestückt wären?
Ein Besuch in der Badi ist für mich ein super Übungsort. Dort kann man dies optimal trainieren. Das geht aber auch auf der Busfahrt, der Restaurantterrasse oder sogar im eigenen zuhause. Wir sind Menschen und wir sind alle nicht perfekt. Oder etwa doch? Vielleicht gerade deshalb, weil wir alle so verschieden sind. Gehen wir also davon aus, dass jeder gerade jetzt in diesem Moment perfekt ist. Auch du. Auch ich.
Viel Spass beim Gedankenspiel!
Deine Christine
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